MiFID II und Fintechs – Die Zukunft der Vermögensberatung und -verwaltung
von Felix Brem

Vermögensberatung und -verwaltung stehen vor einem Wandel, der sowohl regulatorisch – Stichwort: MiFID II – als auch technologisch – Stichwort: Fintechs – ausgelöst wird. Der Private Banker sprach mit Felix Brem, Aufsichtsrat beim Vermögensverwalter und Haftungsdach BN & Partners sowie Mitgründer und CEO des Schweizer Infrastrukturdienstleisters Reuss Private Group AG über die neueste Entwicklung.

Private Banker: Herr Brem, MiFID II sollte eigentlich Anfang nächsten Jahres in Deutschland in Kraft treten. Jetzt heißt es, es werde um ein Jahr verschoben. Womit rechnen Sie?

Felix Brem: Wir rechnen mit einer Verschiebung um ein Jahr. Der Gesetzgeber hat inzwischen verstanden, um was für ein komplexes Anliegen es sich handelt. Man will offenbar den Fehler, den man mit der überstürzten Regulierungswelle der vergangenen Jahre gemacht hat, nicht wiederholen. Es ist erkennbar, dass Brüssel etwas realistischer geworden ist.

PB: Wie gehen Sie mit der zusätzlichen Zeit um?

FB: Wir werden sie nutzen, um unsere technologischen Systeme und administrativen Strukturen an die neuen Gegebenheiten anzupassen sowie unsere Partner in den zugrunde liegenden fachlichen und methodischen Kompetenzfeldern auf die neue Regelung intensiv vorzubereiten.

PB: Was ist für sie die größte Herausforderung?

FB: In der Beratung ist dies der Ersatz des Beratungsprotokolls durch die Geeignetheitsprüfung. Wir sind etwas erstaunt, welche Kehrtwendung der deutsche Gesetzgeber hier in wenigen Jahren gemacht hat. Die gesamte Branche hat mit einem hohen Aufwand Systeme und Prozesse auf das Beratungsprotokoll ausgerichtet und vieles davon wird nun mit MiFID II auf den Kopf gestellt. Diese Veränderung ist aus meiner Sicht richtig. Das Beratungsprotokoll hat sich – auch aus Sicht der Verbraucherschützer – nicht wirklich bewährt. Es hat in der Praxis eher dazu geführt, dass sich Berater mit einer guten Dokumentation von ihrer Verantwortung befreien konnten und für den Kunden nicht wirklich ein Mehrwert entstanden ist. Die neue Aufgabe des Beraters, die Geeignetheit zu prüfen, ist wesentlich zielführender. 

PB: Wenn das Protokoll in seiner jetzigen Form wegfällt: Darf man die Hoffnung haben, dass die Beratung insgesamt weniger bürokratiebeladen ausfällt?

FB: Da habe ich leider wenig Hoffnung. Der absolute Aufwand durch MiFID II wird nicht abnehmen. Jedoch kann mit dem Trend zur Digitalisierung und der intelligenten Nutzung eines Infrastrukturdienstleisters sehr viel aufgefangen werden, um sich besser auf das Kerngeschäft mit dem Kunden konzentrieren zu können.

PB: MiFID II wird auch das Provisionswesen stark verändern.

FB: Unabhängig davon, wie das Thema im Einzelnen durch den Gesetzgeber ausgestaltet wird: Wir müssen beim Kunden stärker verankern, dass Dienstleistungen Geld kosten, ob beim Steuerberater, im Gesundheitswesen oder eben im Finanzbereich.

PB: Was wird denn aus den Provisions-Beratern von heute? Werden die alle Honorarberater oder Vermögensverwalter?

FB: Weder noch. Wenn man schon eine neue Bezeichnung sucht, dann sehe ich den Berater in Zukunft eher in der Rolle des Consultants für den Kunden. Ich suche die richtige und beste Mischung für ein bestimmtes Anforderungsprofil und dafür bekomme ich eine Gebühr oder – mit Kenntnis des Kunden – vom Produktgeber. Transparenz ist hier das zentrale Stichwort.

PB: Wird das eine einmalige Gebühr sein, die der Kunde zahlt?

FB: Ich kann mir auch gut vorstellen, dass da ein Beratervertrag mit Servicefee vermehrt geschlossen wird.

PB: Die Bezahlung ändert sich, aber auch die Tätigkeit des Beratens?

FB: Man sieht schon am Boom der vermögensverwaltenden Fonds in den letzten fünf Jahren, dass die Berater zumindest einen Teil ihrer Aufgabe auf die Produktebene verlagert haben. Nach meiner Vorstellung wird die Entwicklung in der standardisierten Vermögensverwaltung weitergehen. Dann sollte der Berater seine Hauptaufgabe darin sehen, aus der Produktvielfalt der Vermögensverwalter die für den Kunden am besten geeignete Lösung herauszusuchen und diese dann begleitend zu überwachen. So ist auch die Servicegebühr berechtigt.

PB: Ab wann kann das denn vernünftigerweise über eine individualisierte Vermögensverwaltung stattfinden?

FB: Um eine Hausnummer zu nennen: Ab einer Million kann ich mir das im Rahmen einer individuellen Vermögensverwaltung vorstellen. Darunter wird eine standardisierte Form angeboten – da können die Einstiegssummen ohne weiteres bei 5.000 Euro starten.

PB: MiFID II verlangt ja auch von den Produktgebern eine genauere und explizite Adressierung der Zielkundschaft. Manche Beobachter glauben, dass Vertriebe und Pools am zielgenauesten ihre eigenen Produkte vertreiben können.

FB: Es stimmt schon: Nur bei Produktlösungen aus dem eigenen Haus kann ich sicher sein, was und für wen das Produkt ist. Auf der anderen Seite bürgt nur eine offene Architektur für die beste Auswahl im Sinne des Kunden. Damit hier kein Zielkonflikt entsteht, haben wir uns für eine offene Architektur entschieden, neben den renommierten Fonds-Vermögensverwaltern wie z.B. Dr. Ehrhardt auch eine hauseigene Fondsvermögensverwaltung unter dem Namen „BN & MORNINGSTAR AKTIV“ anzubieten. BN & Partner ist in dieser Konstellation der eigentliche Vermögensverwalter und die laufende Beobachtung des Fondsuniversums und die daraus resultierenden Empfehlungen erhalten wir von Morningstar – eines der größten Research-Häuser weltweit.

PB: Nehmen standardisierte Lösungen auch wegen der Roboadvisers zu?

FB: Eindeutig ja. Die Situation kann man mit den Billigfliegen vergleichen, die am Anfang belächelt wurden. Heute macht dies niemand mehr – im Gegenteil, sie sind unter den Airlines sogar zu einer Art Benchmark für Effizienz und Kostenoptimierung geworden. In Asien hat eine BilligAirline den Slogan „Now everyone can fly“ – ich sehe in der Finanzbranche bald den Slogan “Private banking for everyone“. Wie in anderen Branchen kommt es auf die richtige digitale oder analoge Zielgruppenansprache über das richtige Medium an. So wird es die Selbstentscheider geben, die sich im Internet informieren und handeln. Es wird die geben, die für eine Standardlösung in Frage kommen und dabei etwa maschinengestützte Beratung suchen. Und es wird die geben, die individuelle Beratung zu schätzen wissen. Genau, wie es heute Zalando und klassische Modeboutiquen mit persönlicher Beratung nebeneinander gibt – beide Konzepte haben ihre Berechtigung.

PB: Müssen die Berater den Teil des Geschäftes, den die Roboadviser können, dann abgeben oder kann man sich auch Lösungen vorstellen, bei denen die Verwalter kleinere Kunden von ihrer Maschine beraten lassen?

FB: Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass sich die Finanzbranche revolutionieren wird – dank der Fintechs. So gab es auch bei den Fluggesellschaften, der Reisebranche oder im Direktversand massive Veränderungen – die Finanzbrache wurde interessanterweise lange verschont. Ich sehe dabei die großen Banken als die eigentlichen Branchenverlierer. Was die Roboadvisors betrifft, fehlt oft die Kundenbasis und die Unternehmen haben wenig Erfahrung mit den regulatorischen Herausforderungen. Ich denke daher, dass bei den Roboadvisors knapp 80 Prozent wieder verschwinden werden. Grundsätzlich muss ein Berater keine Angst vor ihnen haben, wenn er sein Profil schärft, eine unabhängige und offene Architektur hat sowie für Transparenz und Vergleichbarkeit sorgt. Ich halte es auch für denkbar, dass erfolgreiche Roboadvisors mit Pools kooperieren und/oder sich Haftungsdächern anschließen und so der Berater zu günstigen Konditionen einen Zugang für seine Kunden in diesen Markt bekommt.

PB: Wie beeinflussen Fintechs die Margen?

FB: Ich glaube, die Margen werden noch stärker unter Druck geraten, da die Fintechs die Dienstleistungen effizienter und transparenter gestalten werden. Ich sehe aber bereits eine Blasenbildung und glaube an eine Konsolidierung in den nächsten zwei bis drei Jahren. Die, die überleben, werden danach zu größeren Playern aufsteigen oder erst nach dieser Phase entstehen. Vergleichbar ist dies mit der Internetblase vor rund 15 Jahren. Nach der Konsolidierung sind die wichtigen Gesellschaften im Internetgeschäft entstanden, die heute den Markt beherrschen. Spätestens dann werden die Margen weiter unter Druck kommen.

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