Anlegerschutz nüchtern betrachtet
von Felix Brem

Fidleg, Lugano-Abkommen und Weissgeldstrategie – eine differenzierte Betrachtung des Anlegerschutzes schafft neue Qualität in der Beziehung zwischen Kunden und Berater.

Die Regulierung des Schweizer Finanzmarktes – allen voran durch das Finanzmarktdienstleistungsgesetz (Fidleg) und das Finanzinstitutsgesetz (Finig) – ist für unser Land ein tiefer Einschnitt. Das wird daran deutlich, dass in den vielen Diskussionen über das Für und Wider starke Emotionen mitschwingen. Es geht um das Selbstverständnis der Akteure und um eine traditionsreiche Schlüsselbranche, die zudem eng mit dem nationalen Bewusstsein verknüpft ist. Dennoch sollte der Inhalt der Vorlagen, der vor wenigen Wochen nach den Richtungsentscheiden des Bundesrats nochmals überarbeitet wurde, nicht nur hinsichtlich steigender Anforderungen und Kosten, sondern auch punkto Chancen betrachtet werden. Auf der Metaebene werden schliesslich der internationale Kontext der Regulierung und die Verbindung
zu anderen nationalen Gesetzen aus der jüngeren Vergangenheit deutlich.

HOHER CROSS-BORDER-ANTEIL

Fakt ist: Mehr als 50% der in der Schweiz verwalteten Vermögen stammen aus dem Ausland. Die Finanzindustrie erbringt ihre Dienstleistungen zu einem hohen Anteil im Cross-Border-Geschäft
und soll dies auch in Zukunft tun. Die Internationalität ist ein Grundpfeiler des Swiss Private Banking. Die Herausforderung liegt nun darin, dass nicht nur die nationalen, sondern auch die Gesetze
aus den Ländern der jeweiligen Kunden erfüllt werden müssen. Das macht eine Verknüpfung mit internationaler Rechtsprechung unausweichlich, wie sie 2007 mit dem Lugano-Übereinkommen geschaffen
wurde. Das Lugano-Abkommen zwingt die Schweizer Vermögensverwalter insofern bereits heute, die Gesetzgebung des Domizillandes ihrer Kunden zu berücksichtigen.

Die Akzeptanz der Zuständigkeit des Herkunftslandes eines Kunden für die ordnungsgemässe Versteuerung von Einkommen aus Kapitalvermögen ist die Herleitung und Legitimation für die Inhalte des Finig. Dabei wird fortgeführt, was mit Lugano bereits begonnen wurde. Mit dem Bekenntnis zur Weissgeldstrategie über den länderübergreifenden Austausch von Bankkundendaten im Jahr 2013 hat sich dann endgültig manifestiert, dass sich die Schweiz internationalen Entwicklungen nicht verschliessen kann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes erhalten bleiben soll.

Die Fragen nach den Auswirkungen der Finanzmarktregulierung werden häufig aus der Momentaufnahme heraus diskutiert. Es kommt aus meiner Sicht zu Übertreibungen hinsichtlich eines vermeintlich überbordenden Anlegerschutzes,¨hingegen werden Vorteile aus der praktischen Anwendung ausgeblendet. Das betrifft etwa die Dokumentationspflichten hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse des Kunden, seiner Anlageziele und der persönlichen Risikotragfähigkeit. Ihre schriftliche Erfassung scheint im Widerspruch zum Schutz derPrivatsphäre zu stehen.

Auch da lohnt sich eine differenzierte Betrachtung. Ein erhöhter Erfassungsaufwand und das ungute Gefühl, ein Dossier mit privaten Informationen anzufertigen, relativieren sich durch eine höhere Rechtssicherheit für Kunden und Leistungserbringer mit dem Schutz vor Prozessrisiken. Berater, welche die Dokumentation richtig umsetzen, schaffen somit eine stabile Basis, auf der Folgeberatungen rechtssicher und effizient durchgeführt werden können.

 ERFAHRUNG AUS DEUTSCHLAND

Das bringt eine neue Qualität in die Beziehung zwischen dem Kunden und dem Berater. Denn Transparenz und Berechenbarkeit schaffen Vertrauen. Mit der jederzeitigen Einsichtnahme des Kunden in die Entscheidungen kann er sie reflektieren und in einen Gesamtkontext einordnen. Der Zusatzaufwand lohnt sich für den Kunden und den Berater.

Was die aus der Regulierung resultierenden Belastungen für die verschiedenen Geschäftsmodelle im Private Banking angeht, ist aus meinen jahrzehntelangen Erfahrungen im Cross-Border-Geschäft mit Deutschland ebenfalls eine pragmatische Einstellung angebracht. So hat unser Nachbarland mit der sechsten Überarbeitung des Kreditwesengesetzes und der damit verbundenen Umsetzung der europäischen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie in deutsches Recht bereits im Jahre 1998 einen ähnlichen Regulierungsprozess durchlaufen.

Der im Vorfeld befürchtete Einbruch bei den Volumen von Vermögensverwaltern blieb aus. Um Effizienzgewinne realisieren zu können, bildeten die Marktteilnehmer durch organisches Wachstum, Übernahmen und Zusammenschlüsse grössere Einheiten.

 

Die Erfahrung aus Deutschland zeigt, dass die Finanzmarktregulierung weder das Ende der unabhängigen Finanzdienstleister bedeutet noch die Volumen des verwalteten Vermögens tangiert. Finanzdienstleister brauchen jedoch die Weitsicht, sich frühzeitig auf den Wandel vorzubereiten und ihn als Chance zu begreifen: Transparente Prozesse zusammen mit dem ausgezeichneten Beratungswissen sind ein wesentlicher Differenzierungsfaktor – gerade im Cross-Border-Geschäft.

Felix Brem, CEO, Reuss Private Group.

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