Muss man uns zum Glück zwingen?
von Felix Brem

Die Finanzbranche begegnet vielen Gesetzen mit Ablehnung. Doch die Regulierung könnte mittel- bis langfristig ein heilendes Fegefeuer sein, findet Felix Brem in seinem exklusiven Essay für finews.first.

Die Angst vor einem Bürokratiemonster war gross, als der Bundesrat 2014 die Regulierungspakete Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und Finanzinstitutsgesetz (Finig) vorlegte. Als Konsequenz der Finanzkrise wollte die Regierung den Anlegerschutz stärken – und gleichzeitig der Branche durch eine Angleichung an das EU-Recht (MiFID II) einen besseren Zugang zum EU-Markt verschaffen.

Vermögensverwalter landauf und landab erwarteten einen hohen Regulierungsaufwand, Konsolidierungsdruck sowie einen tiefen Nutzen und zeigten entsprechend mässige Anpassungsbereitschaft. Zu diesem Schluss kam auch eine Studie zu den Regulierungsfolgen bei Vermögensverwalten, die wir zusammen mit Partnern und dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug 2016 durchgeführt haben.

Am 24. Oktober 2018 hat dann der Bundesrat die Vernehmlassung zu den drei Verordnungen eröffnet, die die Ausführungsbestimmungen zu Fidleg und Finig enthalten. Insbesondere jene zum Fidleg sind für den Arbeitsalltag von Vermögensverwaltern relevant. So wurde beispielsweise die Vorgabe geschaffen, dass Kunden transparent über allfällige Vertriebsentschädigungen und über wirtschaftliche Beziehungen, die im Zusammenhang mit der Finanzdienstleistung bestehen, informiert werden müssen.

Einen wichtigen Teil nehmen auch die Bestimmungen zu den Prospektpflichten und zum Basisinformationsblatt ein. Letzteres soll den Kunden helfen, verschiedene Produkte miteinander zu vergleichen. Bei der Ausgestaltung orientierte sich das Eidgenössische Finanzdepartement an der europäischen Vorlage, ohne diese aber tel quel zu übernehmen. Mit gutem Grund, wie unsere Erfahrungen und auch diejenigen der deutschen Branche zeigen.

In unserem nördlichen Nachbarland ist MiFID II schon seit Anfang 2018 in Kraft. Eine besondere Sorge bereitet dabei das neue Basisinformationsblatt. Eigentlich sollte es Privatinvestoren helfen, Investmentprodukte besser zu verstehen. Doch in der Praxis schadet es eher, weil die darin enthaltenen Angaben zur Performance und zu den Kosten verwirrend und mitunter irreführend sind. Theorie und Praxis sind eben doch nicht das Gleiche.

Die Branche stört sich auch an der Verpflichtung, telefonische Beratungsgespräche aufzuzeichnen, sofern diese die Beratung und Vermittlung von Finanzanlagen betrifft. Denn die Beratungen dauern länger, und so kommt es teilweise überhaupt nicht mehr zu Abschlüssen. Auch die Anforderungen an die IT führen zu teils enormen Kosten.

In der Schweiz erwarte ich keine grösseren Schäden für die Branche. Der Bund hat bei den Ausführungsbestimmungen konsequent den Weg weiterverfolgt, den er bereits bei der Ausarbeitung von Fidleg und Finig beschritten hat. Grössere Überraschungen sind ausgeblieben. Auf umständliche, aber wenig hilfreiche Vorschriften wie das Aufzeichnen von Telefongesprächen wurde verzichtet.

Die Anforderungen an die Basisinformationsblätter sind umsetzbar und nicht zu technisch. Sie werden helfen, Transparenz für den Kunden zu schaffen. Es bleibt indes zu bezweifeln, ob die EU die Schweizer Richtlinien als äquivalent einstuft. Ich bin der Meinung, insbesondere wenn ich mich in Deutschland umhöre, dass uns der Marktzugang weiterhin verwehrt bleiben wird, und wir angesichts der Bedeutung des europäischen Marktes wohl eher früher als später zu Fidleg II gezwungen sein werden.

Die neuen Regulatorien sind anspruchsvoll und griffig, aber umsetzbar. Sie stärken den Anlegerschutz und damit das Vertrauen in unsere Branche. Gleichzeitig werden sie einen Innovationsschub auslösen. Die Vermögensverwalterbranche ist eine traditionsbewusste Industrie, was sich durchaus in etwas Trägheit im Hinblick auf neue Technologien und Businessmodelle zeigen darf.

Ketzerisch gefragt: Muss man uns zum Glück zwingen? Ist die zunehmende Regulierung mittel- bis langfristig nicht eher ein heilendes Fegefeuer, das uns dazu bringt, unsere Prozesse zu überdenken, unser Angebot und letztendlich unseren Mehrwert für den Kunden neu zu definieren und überfällige Anpassungen vorzunehmen?

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