Covid-19: Eine langfristige Perspektive
von
Felix Ronner
Covid-19 hat unser Leben
durchgeschüttelt. Dies haben auch die Finanzmärkte gespürt. Seit dem Tiefpunkt
im März haben sich die Kurse – unter anderem aufgrund der starken
Interventionen der Staaten und Zentralbanken – wieder stark erholt. Zeit sich
Gedanken zu machen, wie sich Covid-19 mittel- bis langfristig auf unser
Verhalten und damit auch auf die Märkte auswirkt.
Wenn wir über die mittel- bis
langfristige Perspektive sprechen, stellt sich automatisch die Frage, wann
diese Perspektive zum Tragen kommen wird. Normalität wie vor Covid-19 wird es
wohl erst mit einem wirksamen Medikament und/oder einer Impfung geben. Selbst
wenn dies innerhalb der nächsten zwölf Monate geschehen wird, gibt es aber
bereits jetzt aufgrund von Covid-19 weitreichende Entwicklungen, von denen wir
erwarten, dass sie unumkehrbar sind.
Bereits vorhandene Trends werden
verstärkt
Die Digitalisierung war bereits
vor der Corona-Krise DER Trend in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Umstände der
vergangenen Monate werden diesen Prozess beschleunigen. Die Konsumentinnen und Konsumenten
haben sich während des Lockdowns in vielen Ländern daran gewöhnt, online
einzukaufen. Anbieter haben im Spiegelbild dazu neue Vertriebskanäle gesucht
und auch gefunden.
Darüber hinaus haben sich Millionen
von Menschen oftmals von einem auf den anderen Tag ins Homeoffice zurückgezogen
und haben virtuell mit ihren Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet. In
der Konsequenz werden Unternehmen profitieren, welche Dienstleistungen online
anbieten oder die dafür nötige technische Infrastruktur zur Verfügung stellen
können.
Einzelhandels- und Büroflächen
unter Druck
Demgegenüber ist bei Immobilien
im Bereich Einzelhandels- und Büroflächen von einem Nachfragerückgang auszugehen.
Unternehmen und Arbeitnehmende haben erkannt, dass Homeoffice und virtuelle
Zusammenarbeit besser funktioniert, als viele dies erwartet haben. Unternehmen werden
auch angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds versuchen, ihre
Mietkosten zu senken, was Homeoffice und SmartWork umso attraktiver macht. So
planen gemäss einer Studie von Gartner 74 Prozent der befragten CFOs, gewisse
Mitarbeitende in Zukunft von zu Hause aus arbeiten zu lassen.[1]
Vor diesem Hintergrund hat zum
Beispiel das Startup WeWork, welches Büroflächen und Coworking Spaces anbietet,
einen massiven Bewertungseinbruch erlebt (zugegebenermassen kamen hier neben Covid-19
auch Management-Probleme hinzu). Dass aber – wie von manchen Experten behauptet
– Büroflächen künftig kaum mehr gebraucht werden, darf trotzdem bezweifelt
werden.
Schwellenländer verlieren Tourismus-Einnahmen
Neben der Art, wie wir arbeiten
und einkaufen, hat sich in den letzten Monaten gezwungenermassen auch unser
Mobilitäts- und Reiseverhalten verändert. Auch wenn in vielen Ländern der
öffentliche Verkehr wieder in Fahrt kommt, die Grenzen langsam öffnen und das
Flugangebot wieder hochgefahren wird, wird Covid-19 auch hier mittel- bis
langfristige Folgen haben.
Viele Reisende werden in den
nächsten Monaten und Jahren zum einen nach wie vor vorsichtig sein, wenn es ums
Reisen nach Übersee geht. Zum anderen – und fast noch wichtiger – muss beachtet
werden, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten insbesondere bei den
Reiseausgaben gespart wird. Vor allem Schwellenländer in (Südost-)Asien und
Südamerika, für die der Tourismus eine wichtige Devisenquelle darstellt, werden
darunter leiden.
Mobilität wird sich
individualisieren
Von der oben erwähnten
Reisezurückhaltung werden selbstverständlich auch die Flugbranche und bis zu
einem gewissen Grad auch der Bahnverkehr betroffen sein. Menschen sind im
Lockdown auf individuelle Verkehrsmittel umgestiegen – sei es das Auto, das
Motorrad oder das E-Bike – und werden dieses Verhalten beibehalten. So zeigt
auch eine Konsumentenumfrage von Capgemini Invent, dass besonders für Junge das
Auto wieder an Attraktivität gewonnen hat.[2]
So haben sich die zurückgelegten
Kilometer mit Auto und Motorrad post-Lockdown deutlich rascher erholt als die ÖV-Kilometer.[3]
Wir gehen fest davon aus, dass die Hiobsbotschaften der letzten Monate in der
Autobranche bald von positiven Nachrichten abgelöst werden und auch
E-Bike-Hersteller profitieren können.
Zusammenfassend gehen wir davon
aus, dass Covid-19 vor allem als Katalysator dienen wird, um Trends,
insbesondere im Digitalisierungsbereich, zu beschleunigen. Einzig im Tourismus-
und Reisebereich könnte Covid-19 zu einer mittelfristigen Trendumkehr führen.
Im nächsten Blogbeitrag werden
wir wieder eine kurzfristigere Perspektive einnehmen und ich werde einen
Ausblick auf das dritte Quartal 2020 geben.
[1] Gartner CFO Survey Reveals
74% Intend to Shift Some Employees to Remote Work Permanently. Gartner.
03.04.2020. https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2020-04-03-gartner-cfo-surey-reveals-74-percent-of-organizations-to-shift-some-employees-to-remote-work-permanently2
[2] COVID-19 and the automotive
consumer. Capgemini.
04.2020. https://www.capgemini.com/de-de/research/automobilbranche-wie-covid-19-das-verhalten-der-verbraucher-veraendert/
[3] Mobilitäts-Monitoring
Covid-19. Intervista. 10.06.2020. https://www.intervista.ch/media/2020/03/Report_Mobilit%C3%A4ts-Monitoring_Covid-19.pdf