Marktausblick 2022 – Aktualisierung Q4
von
Felix Ronner
Die Auswirkungen der Pandemie, geldpolitische Straffung, erhöhte Risikoaversion von Haushalten und Unternehmen sowie ausgeprägte Kaufkraftverluste führen zu einer starken globalen Wachstumsabschwächung. Ein rückläufiges Wachstum wird vorerst dem Inflationsziel untergeordnet. Dies dürfte sich erst mit dem Jahreswechsel ändern. Nichtsdestotrotz hält das Marktumfeld weiterhin Chancen bereit.
Es ist nicht nur die Pandemie, welche die Wirtschaftsaussichten trübt. Einige grundlegende strukturelle Tendenzen dämpfen die Erwartungen an das globale Trendwachstum: Hohe Verschuldung, zunehmende Überalterung und ein geringer Produktivitätsfortschritt lassen auf globaler Basis keine grossen Sprünge zu. Zudem sorgt die hohe Verschuldung für eine stärkere Ungleichverteilung (Gini-Index), was eine Polarisierung der Politik fördert und damit deutliche Risiken für die Wirtschaft bereithält. Trotz der starken globalen Wachstumsabschwächung können Anleger in einigen Bereichen des Marktes sich neu bietende Chancen nutzen.
Wirtschaft bleibt volatil
Die Abwärtsrisiken beim Wachstum überwiegen gegenwärtig. Grund dafür sind sowohl der Ukraine-Krieg als auch die geldpolitische Straffung der Zentralbanken. Im Winter wird in Europa dementsprechend mit einer Rezession gerechnet. In den USA geht man von einer Stagnation bis hin zu einer leichten Schrumpfung aus. Längerfristig dürfte die Investitionstätigkeit aber zunehmend das Wachstum unterstützen. Trotzdem ist die Pandemie noch nicht vorbei, und auch mit Angebotsengpässen ist weiterhin zu rechnen.
Expansive Fiskalpolitik aufgrund hoher Inflation
Der Ukraine-Krieg verstärkt die ohnehin vorhandenen Engpässe und erhöht dadurch den Preisdruck weiter. Die Geldpolitik fokussiert sich dementsprechend auf die zu hohe Inflation, womit auch ein temporär geringeres Wachstum toleriert wird. Die finanzielle Repression dürfte demnach für mehrere Jahre stark ausgeprägt sein.
Politische Risiken bedrohen globales Wachstum
Die politischen Risiken bleiben weiterhin erhöht, insbesondere aufgrund EU-/Euro-kritischer Parteien in Europa oder der protektionistischen Massnahmen der US-Regierung. Global sind die politischen Risiken damit deutlich erkennbar, und das Potential für längerfristig ausgeprägte negative Szenarien bleibt hoch. Insbesondere eine erneute Akzentuierung des globalen Handelskriegs – vor allem zwischen den USA und China – würde nachhaltige Konsequenzen haben und schliesslich das globale Wachstum und die Finanzmärkte belasten.
Das Marktumfeld hält weiterhin Chancen bereit
Der Ausblick für Aktien ist sehr volatil und begleitet von ausgeprägten Rückschlägen, aber langfristig grundsätzlich positiv. Die geldpolitische Straffung dürfte zwar tendenziell auf den Aktienmarktbewertungen lasten, aber das dynamische Wachstum geht dafür auch mit steigenden Gewinnen einher.
Da die Inflation über einen längeren Zeitraum erhöht bleiben wird, können die Renditen von „sicheren“ Anleihen wie deutschen Bundesanleihen und amerikanische Staatsanleihen auf langfristiger Basis über die Kurve hinweg ansteigen. Aufgrund einer höheren Renditevolatilität und einem weniger expansiven geldpolitischen Umfeld dürften sich die Zinsaufschläge dabei moderat ausweiten. Trotzdem bleiben Carry und Roll-Down für Anleihen-Investoren aufgrund historisch niedriger Zinsen wichtig.
Für Rohstoffe, insbesondere für Basismetalle, präsentiert sich ein temporär schwieriges Umfeld, jedoch bietet dieses langfristig erfreuliche Chancen für Edelmetalle.